3.3 Grundlagen der fotografischen Bildgestaltung
Im Folgenden soll ein knapper Überblick über grundlegende fotografische Gestaltungsmöglichkeiten und Regeln geboten werden, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Eine ausführlichere Beschreibung der Thematik würde an dieser Stelle sicherlich zu weit führen. Es sei deshalb auf die umfassende und anschauliche Literatur von Carina Meyer-Broicher [Mayer-Broicher, 2009] hingewiesen, die diesem Kapitel zum Teil als Quelle zu Grunde liegt.
3.3.1 Perspektiven, Haltungen und Darstellungsformen
In der Fotografie und künstlerischen Darstellung von Personen wird zwischen verschiedenen Perspektiven, Haltungen und Darstellungsformen unterschieden. Die Ausführung und Haltung des Kopfes steht gerade in der Porträtierung im Fokus, um die Persönlichkeit und Erscheinung des Models zum Ausdruck zu bringen [Hartmann, 2011].
PERSPEKTIVEN
Die Wahl der Perspektive beeinflusst die Aussage der Fotografie bzw. Abbildung und die psychologische Wirkung auf den Betrachter. Man unterscheidet hier zwischen den Perspektiven Normalsicht, Untersicht und Aufsicht.
Normalsicht
Modell und Fotograf sind hier im wahrsten Sinne des Wortes auf Augenhöhe. Die Normalsicht vermittelt daher Neutralität und ist die Perspektive, die man auch aus dem Alltag gewohnt ist.
Untersicht (s. Abb. 14)
Bei der Untersicht (umgangssprachlich „Froschperspektive“) befindet sich die Kamera unterhalb des Modells. Dies hat zur Folge, dass die entstandenen Aufnahmen auf den Betrachter bedrohlich wirken können, da das Model groß, mächtig und überlegen wirkt.
Aufsicht (s. Abb. 15):
Die Aufsicht (umgangssprachlich „Vogelperspektive“) ist das Gegenteil der Untersicht. Hier ist die Kamera über dem Model positioniert. Das Model verliert dadurch an Bedeutung und Macht, wirkt kleiner und unterlegener. Aus psychologischer Sicht werden mit dieser Perspektive Unterwürfigkeit oder Verletzlichkeit signalisiert [Meyer-Broicher, 2009].
Haltungen
Neben der Perspektive wird in der Fotografie und Kunst zudem zwischen unterschiedlichen Haltungen und Ansichten unterschieden, die fälschlicherweise ebenfalls häufig als Perspektiven bezeichnet werden. In der Porträtfotografie versteht man die Haltung des Kopfes/Gesichtes darunter.
Frontalansicht
Wie der Name schon sagt, ist das Gesicht des Modells dem Betrachter hier frontal zugewandt. Der Betrachter blickt dem Modell also direkt in die Augen.
Viertelprofil
Das Gesicht des Modells ist hier so weit zur Seite gedreht, dass das zweite Auge nicht mehr sichtbar ist.
Dreiviertelprofil
Das Gesicht des Modells ist beim Dreiviertelprofil im Vergleich zur Frontalansicht leicht gedreht. Hier ist die Erfahrung des Fotografen gefragt, welche Seite des Gesichtes er unter dem Aspekt der höheren Attraktivität auswählt.
Halbprofil (s. Abb. 16)
Beim Halbprofil ist das Gesicht des Modells im Vergleich zum Dreiviertelprofil etwas weiter zur Seite gedreht. Das zweite Auge ist in dieser Einstellung weiterhin sichtbar.
Profilansicht (s. Abb. 17):
Bei der Profilansicht wird das Gesicht des Modells von der Seite gezeigt. Die Kopfform und Konturen stehen bei dieser Ansicht im Fokus [Meyer-Broicher, 2009].
DARSTELLUNGSFORMEN
Als drittes Merkmal der fotografischen und künstlerischen Bildgestaltung ist die Darstellungsform zu nennen. Sie definiert, welche Körperanteile bzw. welcher Körperabschnitt der porträtierten Person abgebildet werden.
Ganzfigur
Wie der Bezeichnung bereits zu entnehmen ist, wird bei der Ganzfigur der gesamte Körper einer Person abgebildet.
Kniestück
Beim sogenannten Kniestück ist die porträtierte Person bis zu den Knien zu sehen.
Halbfigur
Die porträtierte Person ist bei der Halbfigur bis zur Taille zu sehen, wobei die Arme und Hände mit einbezogen werden.
Brustbild / Bruststück
Beim Brustbild wird der Großteil des Oberkörpers abgebildet, die Arme sind entweder ganz oder zum Teil sichtbar. In der Regel ist dies die klassische Darstellungsform der Porträtfotografie.
Bildniskopf / Kopfbild
Der Bezeichnung entsprechend wird bei dieser Darstellungsform lediglich der Kopf mit Einbeziehung des Halses der porträtierten Person abgebildet [Hartmann, 2011].
3.3.2 Belichtungsdauer, Blende, ISO-Wert
Neben Bildschärfe und Kontrast wird die Helligkeit eines Bildes durch die Belichtungsdauer, Blende und den ISO-Wert beeinflusst. Je nach Kameraausführung sind diese Werte variabel und unabhängig voneinander einstellbar, beeinflussen sich jedoch gegenseitig. Im Folgenden werden diese Optionen bzw. Instrumente kurz vorgestellt.
BELICHTUNGSDAUER
Die Belichtungsdauer (auch Verschlusszeit genannt), definiert, wie lange das Licht auf den Chip einer Kamera einfällt. Die Belichtung erfolgt über dünne Stahlblättchen im Objektiv, die sich je nach eingestellter Belichtungsdauer öffnen bzw. schließen. Dabei gilt: Je länger die Belichtungszeit, also je länger die Stahlblättchen geöffnet sind und Licht einfallen lassen, desto mehr Informationen sammelt der Chip in der Kamera und desto heller wird das Bild. Aus diesem Grund ist bei einer hellen Umgebung eine kurze Belichtungsdauer, bei einer dunklen Umgebung (etwa bei Abendaufnahmen) eine lange Belichtungsdauer zu wählen. Zu bedenken ist, dass die Gefahr einer verwackelten oder unscharfen Aufnahme mit zunehmender Verschlusszeit höher wird, da Verwacklungen, die sich ohne festes Stativ kaum vermeiden lassen, aufgezeichnet werden und somit die Qualität der Fotografie bestimmen. Aus diesem Grund werden bei Schnappschüssen oder Aufnahmen von bewegten Objekten in der Regel kurze Belichtungszeiten gewählt. Die einstellbaren Verschlusszeiten sind von Kamera zu Kamera unterschiedlich, liegen in der Regel jedoch zwischen einigen Sekunden und 1/8000 Sekunde.
Blende
Mit der Blende wird die Menge des einfallenden Lichtes beeinflusst und gesteuert. Auch die Blende wird über die bereits beschriebenen Stahlblättchen im Objektiv geregelt. Im Vergleich zur Belichtungsdauer geht es hier allerdings nicht um die Dauer der Belichtung, sondern um die Frage, wie weit sich die Stahlblättchen im Objektiv öffnen und wie viel Licht sie einfallen lassen.
Für Hobbyfotografen oft verwirrend ist die Bedeutung der Werte. Je größer der Blendenwert, desto kleiner ist die Blendenöffnung und damit die Menge des einfallenden Lichtes. Bietet eine Kamera also den Blendenbereich zwischen f2.8 und f16, so ist f16 die kleinste Blendenöffnung (wenig Licht fällt ein) und f2.8 die größte Blendenöffnung (viel Licht fällt ein, s. Abb. 18).
Die Wahl der Blende beeinflusst zudem die sogenannte Tiefenschärfe, also ob der Hintergrund einer Aufnahme scharf oder verschwommen wird. Eine Aufnahme mit scharfem Hintergrund wird mit einer großen Blende, also einer kleinen Blendenöffnung erzielt. Eine Aufnahme mit wenig Tiefenschärfe dagegen mit einer kleinen Blende, also mit großer Blendenöffnung.
ISO-Wert
Neben Belichtungsdauer und Blende entscheidet auch der ISO-Wert über die Helligkeit einer Aufnahme. Der ISO-Wert beschreibt die gewählte Lichtempfindlichkeit des Lichtsensors einer Kamera. Je höher der ISO-Wert, desto empfindlicher ist der Lichtsensor und desto heller wird das Bild. In der Regel liegt der ISO-Bereich der meisten Kameras zwischen 100 und 1.600. Zu bedenken ist, dass das Bildrauschen oder auch digitale Rauschen im Bild mit steigendem ISO-Wert zunimmt. Bei Tages- oder Kunstlicht wird grundsätzlich ein ISO-Wert zwischen 100 und 200 gewählt. Nachtaufnahmen dagegen bedürfen eines höheren ISO-Wertes, was aber unweigerlich zu Bildrauschen führt. Profifotografen stimmen alle beschriebenen Instrumente je nach Situation genau und individuell aufeinander ab, um das bestmögliche und gewünschte Ergebnis zu erzielen.
Anfängern oder Hobbyfotografen ist das empfindliche Zusammenspiel dieser Instrumente häufig nicht bekannt, weshalb das manuelle Potenzial der Kamera oft nicht ausgeschöpft wird. Zum Großteil wird daher auf die Automatikeinstellung der Kamera zurückgegriffen, bei der die Kamera die oben genannten Werte je nach Gegebenheit selbst bestimmt.
3.3.3 Brennweite
Die Brennweite entscheidet darüber, welcher Bildausschnitt bzw. welcher Blickwinkel aufgezeichnet wird. Mit einer kurzen Brennweite wird ein weiter bzw. offener Blickwinkel erreicht, d. h. viele Details, die sich links und rechts von der Kamera befinden, werden mit aufgezeichnet. Mit einer langen Brennweite (auch Telebereich genannt) wird dagegen ein enger Blickwinkel erreicht, so dass Details links und rechts keine Beachtung finden (siehe Abb. 19). Ein Teleobjektiv mit einer langen Brennweite erfasst nur einen kleinen Teil des Motivs, rückt diesen aber stark in den Vordergrund. Professionelle Porträtaufnahmen werden in der Regel mit Teleobjektiven realisiert: Das Modell steht im Fokus, die Bildperipherie wird ausgeblendet.
3.3.4 Der Goldene Schnitt
Der Goldene Schnitt (auch „Göttliche Teilung“) bestimmt das Verhältnis zweier Zahlen oder Größen und besitzt den Wert 1,6180. Künstler und Architekten streben in ihren Werken diese Streckenverhältnisse häufig an und betrachten den Goldenen Schnitt als ideale Proportion und Inbegriff von Harmonie und Ästhetik. Seit der Renaissance sind Künstler von diesem Verhältnis fasziniert, das auch in der Natur zum Vorschein kommt [Sahlin, 2010].
Ihren Ursprung hat die Regel für den Goldenen Schnitt in der Harmonielehre der Antike. Diese lautet: „Ein Punkt muss eine Strecke so teilen, dass sich das längere Stück zum Ganzen verhält wie das kürzere Stück zum längeren“ [Meyer-Broicher, 2009]. Vereinfacht ausgedrückt entspricht das längere Teilstück ca. 61,8 Prozent und das kürzere Teilstück ungefähr 38,2 Prozent des Ganzen (s. Abb. 20). Exakt in diesem Schnittpunkt sollte auch der Blickpunkt des Fotos liegen.